„Politik heißt: Etwas wollen“ SPD-Vize Ralf Stegner über Erfolge und Herausforderungen der Sozialdemokratie

Ralf Stegner hielt die Festansprache.

17. September 2018

Quelle: Vilsbiburger Zeitung- von Georg Soller

Die Überraschung des Abends war Ralf Stegner. Den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden aus Kiel kennt man als Politiker, der mit finsterer Miene in Talkshows sitzend gern zugespitzt formuliert. Im Vhs-Saal in Vilsbiburg zeigte er in einer klugen Rede den Genossen und ihren Gästen auf, dass die Werte der Sozialdemokratie bis heute nichts an Aktualität verloren haben, und dass es ganz aktuell wieder wichtig geworden sei, darum zu kämpfen.

„Wir sind die einzige Partei, die über eine so lange Zeit – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, die Nazizeit, dem Verbot in der DDR bis heute – die Werte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität hochgehalten hat. Die einzige Partei, die nie ihren Namen ändern musste und die einzige Partei, die eigentlich in den wesentlichen Fragen immer auf der richtigen Seite gestanden hat.“ Es seien die Sozialdemokraten gewesen, die die bürgerlichen Rechte erkämpft haben, obwohl sich die anderen Parteien heute bürgerlich nennen: Das allgemeine Wahlrecht, auch das von Frauen, die Gleichheit von Mann und Frau. Dies alles taten die Sozialdemokraten oft unter großen Risiken für sich selbst. Das Tondokument mit der Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis („Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“) sei eines der beeindruckendsten Dokumente, die er kenne, sagte Stegner. Daran müsse man erinnern, wenn der eine oder andere Genosse derzeit jammere – über schlechte Wahlergebnisse und andere Widrigkeiten: „Unsere Vorfahren hätten sich die Probleme gewünscht, über heute geklagt wird.“ Heute müsse niemand mehr mutig sein, Sozialdemokrat zu sein, „nur klug“. Den Gründervätern und -müttern aber schulde man es, „dass wir uns heute mal ein bisschen mehr anstrengen.“ Denn man könne nur dann 100 Jahre bestehen, wenn man nicht gleich davonlaufe, wenn der Wind mal von vorne kommt. Geschichte ist ein Auftrag

Geschichte sei mitnichten nur nostalgische Erinnerung: „Geschichte ist auch ein Auftrag.“ Seit 155 Jahren arbeiteten Sozialdemokraten daran, das Land besser zu machen. Die meisten Mitglieder seien in die SPD eingetreten, weil sie das Leben besser und gerechter machen wollen. Dies bedürfe Durchhaltevermögen: Die Forderung, dass auch Arbeiter wählen dürfen und sogar Frauen, sei seinerzeit höchst ungewöhnlich gewesen, „und manche Länder, wie die Schweiz, haben auch lange gebraucht, um das Thema abzuschließen“. Heute hingegen sei die Vorstellung, dass Frauen nicht wählen dürfen, ziemlich kurios – zumal viele von ihnen klüger seien als die Männer. Es sei auch eine Sozialdemokratin gewesen, Elisabeth Selbert, die die Gleichheit von Mann und Frau ins Grundgesetz gebracht habe. Die SPD habe immer nach Freiheit gestrebt, auch in Zeiten, als andere die Freiheit ersticken wollten: „Die SPD ist immer für gleiche Menschen- und Bürgerrechte eingetreten, als Andere unterschiedliche Wertigkeiten von Menschen propagierten. Es heißt: Die Würde des Menschen und nicht die Würde des deutschen Normalbürgers.“ Aus ihrer leidvollen Erfahrung heraus werde die Sozialdemokratische Partei Deutschlands deshalb „niemals dabei sein, wenn es darum geht, gegen Flüchtlinge zu hetzen oder Rassismus zu unterstützen. Wir sind der Meinung, dass man mit Menschen, die auf der Flucht sind, ordentlich umgeht“, sagte Stegner unter Applaus. Was ihn erschrecke, sei der Umstand, dass man heute wieder sagen muss: „Wir müssen darauf achtgeben.“ Menschen- und Bürgerrechte verschwänden nicht mit einem Knall, sondern langsam, wenn man nicht darauf achtet. Die Idee der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität habe bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. „Es gibt wieder Nationalisten, Rechtspopulisten und Demokratiefeinde, die weltweit, aber auch vor unserer Haustüre, die Errungenschaften, die wir erkämpft haben, wieder in Frage stellen wollen.“ Mit Blick auf Chemnitz sagte Stegner: „Gewalt ist von uns zu ächten, egal von wem sie ausgeht und egal, gegen wen sie sich richtet.“ Allein der Staat habe das Gewaltmonopol. Szenen, die an das Ende der Weimarer Republik erinnern, wolle man auf unseren Straßen nicht mehr erleben. Olof Palme habe einmal gesagt: „Politik heißt: Etwas wollen.“ Das bedeute nicht, sagte Stegner, dass man die Demoskopen frage, was man tun soll. Egon Bahr habe zu ihm einmal gesagt: „Wenn der Willy (Brandt) und ich damals auf die Demoskopen gehört hätten, hätte es weder die Friedens- noch die Ostpolitik gegeben.“ Deshalb forderte Stegner: „Man muss leidenschaftlich für die Dinge eintreten, die man wichtig findet. Und für Mehrheiten kämpfen, damit sie umgesetzt werden können. “ Georg Soller

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